Johann Rudolf Schneider
 
Geschlecht: Herr Johann Rudolf Schneider
Name Schneider
Vorname Johann Rudolf
Titel Dr. med.
Geboren am 23.10.1804
Geboren in Meienried b. Büren a/A
Gestorben im 1880
Gestorben in
Beruf Arzt, "Retter des Seelandes", Regierungsrat, Präsident der kantonalen «Sanitätscomission», Nationalrat
Wohnort/e Meienried, Berlin, Nidau
 
Lebensweg
Der «Retter des Seelandes»
von Max Gribi
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Das Werk der Ersten Juragewässerkorrektion stellt «in seiner Grossartigkeit einen Glanzpunkt der Schweizergeschichte des 19. Jahrhunderts» dar. Sie darf als gewichtigstes seeländisches Ereignis des letzten Jahrhunderts gewertet werden, als Jahrhundertwerk, das die entscheidende Grundlage für die spätere Entwicklung unserer Heimat darstellt. Dieser Umstand mag Anlass für LYSSPLUS sein, des Vaters der Juragewässerkorrektion, Dr. Johann Rudolf Schneiders, und seines segensreichen Lebenswerks zu gedenken.

Der «Retter des Seelandes», erblickte am 23. Oktober 1804 im Dörfchen Meienried oberhalb Büren an der Aare das Licht der Welt. Hier, am einstigen Zusammenfluß von Aare und Ziel, wo sich bei Hochwasser die beiden Flüsse gegenseitig aufstauten, zeitweilig rückwärts flossen, Äcker und Wiesen überfluteten und verwüsteten, erlebte er im väterlichen Bauernhaus, das auch die Wirtschaft «Zur Galeere» beherbergte, die zerstörende Kraft der ungebändigten Wasserfluten und die tiefe Not der schwer betroffenen Landbevölkerung des Seelands.

Nach dem Besuch der Stadtschule in Büren an der Aare verbrachte Johann Rudolf Schneider ein Welschlandjahr und trat dann in Nidau in eine Apothekerlehre ein, die er jedoch vorzeitig abbrach, um als Siebzehnjähriger in Bern Medizin zu studieren. An der Friedrich-Wilhelm-Universität von Berlin setzte der wissensdurstige und selbstkritische Einundzwanzigjährige seine Studien mehr zur Erweiterung seiner Allgemeinbildung als zur Vertiefung seiner medizinischen Kenntnisse fort und legte schliesslich in Bern seine Schlussprüfungen als Stadt- und Wundarzt ab.1838 verlieh ihm die Universität Bern den Doktortitel der Medizin ehrenhalber - nicht zuletzt in Anerkennung seiner Tätigkeit als Regierungsrat und Präsident der kantonalen «Sanitätscomission» und des «Sanitätscollegiums».

In Nidau, wo er 1828 die Apotheke erwarb, in der er einstmals seine Lehre begonnen hatte, eröffnete er eine Arztpraxis. Bald fand er gesellschaftlichen Anschluss im örtlichen Schutzverein, der angesichts der verheerenden berschwemmungen im Seeland schon 1824 eine eindringliche Bittschrift an die Berner Regierung gerichtet hatte und 1832 unter Mitarbeit Schneiders beschloss, den Gedanken der Korrektion der Juragewässer durch Versammlungen, Druckschriften, Sammlung von Geldmitteln und Gründung von Komitees in der Bevölkerung bekanntzumachen.

Ein Jahr später wurde Johann Rudolf Schneider zum Präsidenten des entsprechenden Nidauer Komitees gewählt. Mit bewundernswerter Energie nahm er die Verwirklichung seines Zieles - die Vorbereitung der Juragewässerkorrektion - an die Hand. Über erste Kontakte mit der Berner Regierung kam es noch im gleichen Jahr zur Schaffung von Korrektionsplänen durch den polnischen Wasserbaumeister Lelewel, zu einer ersten Konferenz der von den Überschwemmungen der Jurafussgewässer betroffenen fünf Kantone Bern, Waadt, Freiburg, Neuenburg und Solothurn und anschliessend zu ersten Geldsammlungen in den seeländischen Amtsbezirken. Der Amtsbezirk Aarberg allein sicherte Schneider einen Betrag von 100 000 Franken zu, rund einen Viertel der gesamten Subskriptionssumme.

In seinem Buch «Gespräche über die Überschwemmungen im Seelande der westlichen Schweiz; über die Mittel zur Austrocknung und zum Ausbau seiner Sümpfe und Möser», einer Werbeschrift in Gesprächsform, schilderte Schneider 1835 eindringlich die Gewalt und Häufigkeit der verheerenden Überschwemmungen, die Not der Landbevölkerung, Krankheiten, Unheil und Schäden, legte die Vorteile einer Gewässerkorrektion dar, rief zur gemeinsamen Tat der fünf Kantone auf und entwarf schliesslich ein weitblickendes Vertragswerk, das die Ausführung der Korrektion sichern helfen sollte. «Es ist», schrieb der ehemalige Rektor des Städtischen Gymnasiums Biel, Dr. Hans Fischer, in seiner Schneider-Biographie, «als ob im Sommer 1835 der einunddreissigjährige Nidauer Arzt das Modell seines zukünftigen Lebens gebaut habe ... Fast alles, was ihn in seinem späteren Leben erfüllte, kommt in diesem Modell vor: der Arzt, der Politiker, der Staatsmann ... und vor allem natürlich der Retter des Seelandes».

1836, vom Wahlkreis Büren in den bernischen Grossen Rat gewählt, reichte er, sein grosses Ziel nie aus den Augen verlierend, eine Motion zur Förderung der Juragewässerkorrektion ein. Ein Jahr später wählte ihn das Kantonsparlament zum Präsidenten der neugeschaffenen Juragewässerkommission und kurze Zeit darauf zum bernischen Regierungsrat. Die beispielhafte Zielstrebigkeit Schneiders lässt sich daran ablesen, dass schon 1838 Bericht und Anträge der Juragewässerkommission gedruckt und im Frühjahr 1839 vom Grossen Rat in zustimmendem Sinne verabschiedet werden konnten.

Hauptgedanke war dabei die Gründung einer Gesellschaft, der man in einem späteren Zeitpunkt die Durchführung der Juragewässerkorrektion zu übertragen gedachte. In Zeitungsartikeln und in unzähligen Briefen an Gemeinden, Räte und einflussreiche Persönlichkeiten bat er um Aufklärung und Belehrung des Volkes und um Stellungnahme zugunsten des Korrektionsgedankens. Zudem forderte er zur Gründung von Unterstützungskomitees auf und warb für den Absatz von Aktien der Vorbereitungsgesellschaft, die sich die Aufgabe stellte, durch die Wahl eines geeigneten Korrektionssystems «einer künftigen Ausführungsgesellschaft das zweckmässige Bauen in jeder Hinsicht zu ermöglichen».

Den Gedanken einer Gesamtkorrektion hatte Schneider in der Zwischenzeit in weiten Bevölkerungskreisen durchgesetzt. Offen blieb aber immer noch der Entscheid, ob eine durchgreifende Korrektion auf der Strecke Aarberg-Lyss-Büren-Solothurn oder die Ableitung der Aare in den Bielersee und der Bau eines Nidau-Büren-Kanals zu wählen sei. Klärend wirkte in dieser Frage die Berufung des Bündner Wasserbauingenieurs La Nicca. Er galt als einer der fähigsten Ingenieure Europas und hatte seine beruflichen Fähigkeiten bei den Korrektionsarbeiten an Rhein und Linth sowie in Deutschland und Italien bereits vielfach unter Beweis gestellt hatte.

La Nicca La Niccas Pläne sprachen sich für die Ableitung der Aare in den Bielersee aus und stiessen bei Persönlichkeiten wie Oberst Henri Dufour, dem späteren General des Sonderbundkrieges, auf Zustimmung. Im Juni 1844 waren die Vorarbeiten dank des heiligen Eifers, den Schneider der Sache angedeihen liess, so weit fortgeschritten, dass dem bernischen Grossen Rat ein Konzessionsbegehren für die «Korrektion der Gewässer des Seelandes» eingereicht werden konnte.

Politische Auseinandersetzungen im Vorfeld der bernischen Verfassungskämpfe von 1846, engstirnige Landesteilinteressen, die Freischarenzüge und das Ringen um eine Bundesverfassung führten in den folgenden Jahren allerdings dazu, dass die weiteren Korrektionsvorbereitungen sich verzögerten. 1847 beschloss eine Konferenz der an der Juragewässerkorrektion beteiligten Kantone immerhin, am geplanten Werk mitzuwirken. Im Juni 1850 sodann lieferte Ingenieur La Nicca auftragsgemäss einen zweiten Bericht ab, der unter anderem 162 Spezialpläne zur bevorstehenden Korrektion enthielt.

Erschwerend kamen dazu zeitweilig missliche persönliche Verhältnisse: Schneider war zwar 1848 in den ersten Nationalrat des eben gegründeten Bundesstaates gewählt worden, verlor aber bei den kantonalen Wahlen von 1850 im Zeichen eines konservativen Wahlsieges sein Amt als Regierungsrat und damit seine Existenzgrundlage. Trotzdem kämpfte er, beruflich nunmehr als Inselspitalarzt tätig, in den folgenden Jahren auf verschiedensten Ebenen für die Idee der Gesamtkorrektion.

Sie wurde in der Öffentlichkeit erneut angezweifelt, indem eine finanziell weniger aufwendige Teilkorrektion immer mehr in den Vordergrund trat. Ein Gesuch an den Bundesrat und an die fünf beteiligten Kantone, die Vorbereitungsgesellschaft mit der ursprünglich geplanten Gesamtkorrektion zu betrauen fiel auf ebenso unfruchtbaren Boden wie der Vorschlag, ihm eine auf seinen Namen und seine eigene Verantwortung lautende Bau-Ermächtigung zu erteilen.

Eine entscheidende Wende brachte schliesslich eine Motion des Murtener Nationalrats Engelhard, Mitglied der Vorbereitungsgesellschaft. Sie lockerte den durch die uneinsichtige Haltung der Kantone Freiburg und Waadt verursachten Stillstand. 1857 jedenfalls legte der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine Botschaft vor, in der vermerkt wurde, dass zwar nicht die ganze Eidgenossenschaft ein Interesse an der Juragewässerkorrektion habe, aber doch ein grosser Teil daran beteiligt sei.

In staatspolitisch weitblickender Art wurde ferner entschieden, der Bund habe «eine eingreifende und leitende Initiative» zu übernehmen. Die vom Bundesrat eingesetzten Experten sprachen sich später im wesentlichen für das Projekt La Nicca aus und hielten dabei fest, dass das Bett der alten Aare von Aarberg über Lyss bis Büren zum grössten Teil «der Verlandung überlassen und zwischen ihren leicht in Ordnung zu haltenden Ufern nur noch so viel Wasser abfliessen werde, als man für gewerbliche und agrikole Zwecke" benötige. Der Bundesbeschluss sah ferner vor, bei Aarberg ein Ableitungswehr so anzulegen, dass ein Teil der Aare direkt nach Büren abfliessen und das Aarebett auf der Strecke Aarberg-Lyss-Büren nötigenfalls der auftretenden Wassermenge angepasst werden könne.

Die kleinmütige Haltung Freiburgs und der Waadt führte später zu erneuten Verzögerungen. Im Dezember 1863 kam es indessen zu einer Einigung, die es der Bundesversammlung ermöglichte, das Projekt La Nicca zu verabschieden. Erst vier Jahre später aber, in deren Verlauf sich unter anderem schwere Auseinandersetzungen zwischen General Ulrich Ochsenbein und Dr. Johann Rudolf Schneider abgespielt hatten, der Grosse Rat des Kantons Bern die Juragewässerkorrektion als «ein im öffentlichen Leben liegendes Unternehmen» erklärt hatte, Bund und beteiligte Kantone sich über die Finanzierung des grossen Werks und über die Aufteilung der auszuführenden Arbeiten nach langem Seilziehen einig geworden waren, fasste die Bundesversammlung am 25. Juli 1867 den Beschluss, die Juragewässerkorrektion durchzuführen.

Elf Jahre später lud die bernische «Direktion der Entsumpfungen» den unermüdlichen Kämpfer Dr. J. R. Schneider zur Eröffnung des Leitkanals Aarberg-Hagneck ein, der einen Teil des Aarewassers in den Bielersee ableitete. In seinem Bericht über die Eröffnungsfeier vom 17. August 1878 meinte der «Seeländer Bote», dass er Dr. J. R. Schneider «von Herzen die Satisfaktion gönne, nach mehr als 30jährigen mühseligen Bestrebungen die Erfüllung seines innigsten Wunsches herangenaht, ja fast vollendet zu sehen». Doch nicht nur für den «Retter des Seelandes» war dies ein historischer Tag, sondern auch für zahlreiche Ortschaften des Seelandes, darunter vor allem auch Lyss.

 

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